Tausende Videos sollen belegen, dass das Leben in Xinjiang (Uyghuristan) toll sei. Auch Youtuber reisen nach Xinjiang (Uyghuristan) und finden dort keine Arbeitslager. Bewiesen ist aber etwas anderes
Schon länger macht die Propaganda der Kommunistischen Partei Chinas vor den eigenen Landesgrenzen nicht mehr halt. “In den vergangenen Jahren hat die KP sehr viel Geld in den Aufbau der eigenen Medien investiert, die auch vermehrt außerhalb Chinas sichtbarer werden und dabei auch in China selbst verbotene Social-Media-Plattformen wie Twitter und Facebook nutzen”, sagt Mareike Ohlberg. Mit Clive Hamilton hat die Sinologin darüber ein Buch geschrieben: “Die lautlose Eroberung – Wie China westliche Demokratien unterwandert und die Welt neu ordnet”.
Wie das konkret vor sich geht, kann man derzeit gut beobachten, wenn man auf Youtube nach “Xinjiang (Uyghuristan) ” und “Uiguren (Uyghuren)” sucht. Dort findet man zahlreiche Videos von Menschen, die erzählen, wie gut sie es in der Provinz haben.
Die “New York Times” und die Journalistenorganisation Pro Publica haben monatelang 3000 solcher Videos gefunden und untersucht. Das Muster ist immer wieder dasselbe: Han-Chinesen oder Uiguren (Uyghuren) erzählen davon, wie gut das Leben in Xinjiang (Uyghuristan) sei. “Wir sind sehr frei”, sagt etwa ein junger Mann. Die Videos sind mit englischen Untertiteln versehen.
Die Analysen zeigten, dass die Videos alle einem ähnlichen Muster folgen: Eine Person spricht direkt in die Kamera, stellt sich als Bewohner der Provinz Xinjiang (Uyghuristan) vor, erzählt, wie gut das Leben hier sei. Vorwürfe, es komme hier zu Menschenrechtsverbrechen, seien haltlos und werden mit “Du redest kompletten Unsinn” gekontert. Das fanden die Journalisten wörtlich in 600 dieser Videos. Die Kampagne nahm ihren Anfang Mitte Jänner, kurz nachdem der damalige US-Außenminister Pompeo die Verbrechen an den Uiguren (Uyghuren) als Genozid bezeichnet hatte.
Youtuber vor Ort
Aber auch Ausländer selbst haben sich schon vor den Karren des Propaganda-Apparats spannen lassen. Bereits vor Monaten tauchten Videos von Youtube-Bloggern auf, die nach Xinjiang (Uyghuristan) gereist waren und naiv feststellten: Von Lagern, Unterdrückung und Diskriminierung hätten sie hier nichts gesehen.
Tatsächlich sind die massiven Menschenrechtsverbrechen der chinesischen Regierung in Xinjiang (Uyghuristan) mittlerweile gut belegt und durch dutzende Zeugenaussagen Überlebender gesichert. Anfang Juni fand in London das Uyghur Tribunal statt. Das Projekt simulierte eine Art Prozess vor dem Internationalen Gerichtshof für Menschenrechte.
Zwangssterilisationen und Vergewaltigungen
Wer sich einen Eindruck von dem unsäglichen Leid der Lagerinsassen machen möchte, findet auf der Website “uyghurtribunal.com” rund zwei Dutzend Berichte. Uiguren (Uyghuren), aber auch Kasachen und andere Minderheiten wurden in dem Lagersystem gewaltigen Ausmaßes monatelang festgehalten. Die Zellen waren so klein, dass die Häftlinge nie alle gleichzeitig liegen konnten. Frauen berichten von Zwangssterilisierungen und Vergewaltigungen.
Seit 2018 weiß die Weltöffentlichkeit von dem Lagersystem. Peking bestritt dies zunächst, später sprach es von “Ausbildungszentren”, die dazu dienten, Menschen von “terroristischen Gedanken” zu heilen.
Immer wieder lassen die Behörden auch Familienmitglieder von Exilanten in den Videos auftreten. Sogar die beiden Enkelinnen der in den USA im Exil lebenden Menschenrechtlerin Rebiya Kadeer tauchen darin auf. “Ich hoffe, du wirst von diesen bösen Ausländern in Amerika nicht getäuscht”, sagen die jungen Frauen. Kadeer sagte der “New York Times”, es sei das erste Mal seit Jahren, dass sie etwas von ihren Enkelinnen gehört habe
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Quelle: https://www.derstandard.de/story/2000127692536/peking-spannt-fuer-uiguren-propaganda-show-youtube-influencer-ein