150 Abgeordnete pilgern zum Yasukuni-Schrein

 ·  Mit einem demonstrativen Besuch am hoch umstrittenen Yasukuni-Schrein brüskieren fast 150 japanische Politiker den amerikanischen Präsidenten Obama.

 

© AFP Vergrößern Parlamentarier auf Pilgerreise

 

Ausgerechnet in der Woche, in der Amerikas Präsident Barack Obama zum Staatsbesuch nach Japan kommt, veranstaltet der umstrittene Yasukuni-Schrein in Tokio sein Frühlingsfest. Der Schrein, der als eines der wichtigsten Symbole für Japans erstarkenden Nationalismus gilt, rief am Dienstag – und trotz des Obama-Besuchs kamen so viele Abgeordnete des japanischen Parlaments wie lange nicht. Sie wussten, dass sie den Staatsgast damit brüskieren würden. Fast 150 Volksvertreter, allen voran wieder einmal Innenminister Yoshitaka Shindo, haben am Dienstag den Schrein besucht, in dem auch 14 hingerichtete Kriegsverbrecher aus dem Zweiten Weltkrieg geehrt werden. Einen Tag zuvor hatte Japans Ministerpräsident Shinzo Abe mit einer Opfergabe für den Schrein in Tokio bereits Empörung in den Nachbarländern China und Südkorea ausgelöst.

 

Die Ehrungen werfen Schatten über die Asienreise Obamas, der an diesem Mittwoch nach Japan fliegt und anschließend auch Südkorea besuchen will. Dass trotz mancher Bedenken japanischer Diplomaten 150 Parlamentarier demonstrativ zu der Stätte pilgerten, die von denen besonders geschätzt wird, die Japan von den Untaten seiner Geschichte im letzten Krieg weißwaschen wollen, zeigt auch, wie stark Japans Nationalisten seit dem Amtsantritt Abes wieder Flagge zeigen. Linke und Liberale mit einem selbstkritischeren Geschichtsbild sind fast völlig aus der öffentlichen Debatte verdrängt.

 

Eine extrem nationalistische Sicht der Geschichte

Der Berater des japanischen Regierungschefs, Seiichi Eto, sagte, der Besuch des Schreins habe nichts mit Obamas Japanreise zu tun. Ob das in der amerikanischen Botschaft in Tokio einen Tag vor der Ankunft des amerikanischen Präsidenten genauso gesehen wurde, dürfte fraglich sein. Als Abe letztes Jahr ausgerechnet am Zweiten Weihnachtstag den umstrittenen Schrein besuchte, hatte Washington das ungewöhnlich offen kritisiert. Amerika sei enttäuscht, dass Japan damit einen Schritt unternehme, der Spannungen mit den Nachbarländern verschärfen könnte, hieß es damals.

 

Jetzt wieder zum Yasukuni-Schrein zu pilgern, wagte Abe deswegen nicht. Damit hätte er Obama offen brüskiert. Das überließ er seinem Innenminister und immerhin fast einem Viertel der Parlamentsabgeordneten. Abe selbst hatte dem Schrein am Montag in Tokio ein religiöses Ornament mit seinem Namen und seiner Amtsbezeichnung überbracht. Am Dienstag beteiligten sich neben Abgeordneten der Regierungspartei LDP auch Oppositionspolitiker an dem Gang zum umstrittenen Schrein und an Gebeten dort – größtenteils gehörten sie Parteien an, die rechts der LDP stehen.

 

Pilgergänge zum Yasukuni-Schrein werden vor allem in China, Südkorea und Taiwan – den Opfern japanischer Angriffskriege – als Glorifizierung der japanischen Aggression empfunden. Der Schrein gedenkt der rund 2,5 Millionen Soldaten, die in Kriegen für das Kaiserreich gestorben sind – unter ihnen sind zahlreiche verurteilte Kriegsverbrecher. Im Museum, das dem Schrein angeschlossen ist, wird zudem eine extrem nationalistische Sicht der japanischen Geschichte gepredigt.

 

Nur eine Privatsache?

Kabinetts-Staatsminister Yoshihide Suga sagte Journalisten am Dienstag, Minister besuchten den Schrein lediglich als Privatpersonen. „Für einen Kabinettsminister ist ein Besuch eine Sache der eigenen religiösen Freiheit, in die sich die Regierung nicht einmischen sollte“, sagte er. Wer den Auftrieb der Abgeordneten und einzelner Minister am Schrein beobachtete, dem bot sich allerdings eher das Bild eines demonstrativen, öffentlichen Aktes als privater Besuche mit privater Religionsausübung. Hidehisa Otsuji, ein Abgeordneter der LDP, begründete das Fernbleiben Abes vor dem Obama-Besuch mit den schlichten Worten, der Regierungschef habe das nationale Interesse Japans so bewertet, dass es dieses Mal besser sei, wegzubleiben.

 

Das Verhältnis zwischen Abe und Obama gilt als nicht spannungsfrei. So sind Versuche der Amerikaner am Dienstag gescheitert, Japan in den Verhandlungen für eine pazifische Freihandelszone dazu zu bewegen, die drittgrößte Volkswirtschaft der Welt weiter für Wettbewerb zu öffnen. Dem japanischen Ministerpräsidenten geht es vor allem darum, mit dem Besuch Obamas „eine Botschaft an die Welt zu senden, dass die japanisch-amerikanische Allianz eine führende Rolle dabei spielen wird, Frieden und Stabilität in der asiatisch-pazifischen Region zu sichern.“

http://www.faz.net/aktuell/politik/japan-150-abgeordnete-pilgern-zum-yasukuni-schrein-12904948.html

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