Der Staatsbesuch des chinesischen Präsidenten Xi Jinping Ende März in Tschechien hat ein Nachspiel. Vielleicht auch zwei. Denn Bürger und Politiker, die auf die Menschenrechtsverletzungen im Reich der Mitte aufmerksam machen wollten, beschwerten sich über die Eingrenzung ihrer Meinungs- und Versammlungsfreiheit – durch behördliche Verbote und dem aus ihrer Sicht überzogenen Polizeieinsatz. Auf die Vorwürfe hat die Polizei am Donnerstag öffentlich reagiert. Die Politiker der Opposition streben zum Thema indes noch eine Sondersitzung der Abgeordneten an.
Zum Polizeieinsatz während des Präsidentenbesuchs aus China wurden 27 Eingaben gemacht, drei davon wurden als Beschwerde klassifiziert. Am Donnerstag nahm Polizeipräsident Tomáš Tuhý vor Medienvertretern dazu Stellung. Sein Fazit: Die ihm unterstellten Polizisten hätten richtig gehandelt, mit Ausnahme des Besuchs zweier Beamter in Zivil an der Prager Filmakademie. Diese untersuchten, weshalb dort Tibet-Flaggen in den Fenstern hängen. Damit wären sie zu weit gegangen und wegen ihres fehlerhaften Verhaltens erwarte sie nun ein Disziplinarverfahren, entschuldigte sich Tuhý.
In allen anderen Fällen aber sprach der Polizeichef seine Mitarbeiter von einem Fehlverhalten frei. Dazu gehörte auch die umstrittene Absperrung des Hradschiner Platzes an der Burg, auf dem China-Kritiker eine zuvor genehmigte Kundgebung abhalten wollten. Weshalb sie es dann doch nicht durften, dazu erklärte Tuhý:
„Die Polizei hat in dem bestimmten Moment von ihrer Befugnis Gebrauch gemacht, für Ordnung und Sicherheit zu sorgen. Und die Sicherheit (der Gäste des Präsidenten, Anm. d. Red.) musste vor Ort gewährleistet werden. An jenem Tag hat die Polizei zudem eine schriftliche Mitteilung des Initiators der Versammlung erhalten mit Verweis darauf, dass sie an einem anderen Ort stattfinden wird.“
Den zweiten Teil der Begründung aber bestreitet der Initiator, der ehemalige Umweltminister Martin Bursík (LES). Und der Vorsitzende der Oppositionspartei Top 09 Miroslav Kalousek, der zu den Demonstranten zählte, reagierte noch empörter:
„Aufgrund dessen, dass die heutige Pressekonferenz nur eine Ansammlung von peinlichen Ausreden und teilweise auch von Lügen war, wird die Notwendigkeit verstärkt, darüber eine parlamentarische Sondersitzung abzuhalten.“
Diese Sondersitzung soll schon am nächsten Donnerstag im Abgeordnetenhaus stattfinden.
Bei den Polizeieinsätzen entlang der Hauptstraße, über die der Konvoi mit dem Staatsgast aus China vom Flughafen zur Innenstadt rollte, und beim Hilton-Hotel, in dem Xi Jinping nächtigte, sei alles im ordnungsgemäßen Rahmen abgelaufen. Auch bei den kleineren Handgemengen zwischen einbestellten Chinesen, die ihrem Präsidenten zujubelten, und tschechischen China-Kritikern, hätten sich die Beamten richtig verhalten, sagte Michaela Hybnerová vom Polizeipräsidium.
Das aber sieht der Prager Student Ondřej Mazura völlig anders. Weil er eine Tibet-Flagge bei sich trug, seien die Chinesen mit ihren Fahnenstöcken auf ihn losgegangen. Und statt ihn vor deren Angriffen zu schützen, habe ihn die Polizei aus einem fadenscheinigen Grund für eine Stunde in Gewahrsam genommen. Mazuras Reaktion:
„Es ist offensichtlich, dass die Polizei Fehler gemacht hat, und das in mehreren Fällen. Ich hoffe nur, dass deren Bemühungen, dies jetzt unter den Tisch zu kehren, keinen Erfolg haben.“
Er selbst wolle deshalb die Staatsanwaltschaft einschalten, die das Ganze bereits unabhängig untersucht. Bleibt noch die Frage: Wer hat den Einsatz der beiden Polizisten an der Filmakademie angeordnet? Die Spur führt, wie aus Polizeikreisen bestätigt wurde, zur Personenschutzabteilung von Präsident Miloš Zeman. Es ist eine Abteilung der Polizei, auf die das Staatsoberhaupt jedoch großen Einfluss hat. Mit einem außerordentlichen Empfang hat Zeman dann auch ausdrücklich seinen ihm treu ergebenen Beamten gedankt. Diesen Vorgang quittierte der Journalist und Gastkommentator des Tschechischen Rundfunks, Jiří Leschtina, mit diesen Worten:
„Das Staatsoberhaupt hat allem zum Trotz die Polizei dafür gewürdigt, dass sie gegen die eigenen Bürger und deren Rechte vorgegangen ist, und das nicht nur im Fall des Besuchs der chinesischen Kommunisten, sondern auch bei den letzten Feiern zum 17. November. Der Präsident hat sich in dem Moment so verhalten, als wäre er nicht nur Oberbefehlshaber der Streitkräfte, sondern auch der Sicherheitskräfte. Diese Ausweitung seiner Kompetenzen in Richtung der Polizeikorps ist jedoch ein gefährlicher Präzedenzfall.“
Quelle: http://www.radio.cz/de/rubrik/tagesecho/polizei-sieht-ihr-vorgehen-beim-staatsbesuch-aus-china-als-gerechtfertigt-an