Bundespräsident Joachim Gauck soll sich bei seinem ersten Staatsbesuch in China auch für verfolgte Bürgerrechtler, Anwälte und Glaubensfreiheit einsetzen. Der Bundespräsident trifft am Montag mit Staats- und Parteichef Xi Jinping und Ministerpräsident Li Keqiang zusammen.
„Die internationale Gemeinschaft sollte nicht schweigen“, sagte der bekannte Menschenrechtsanwalt Mo Shaoping der Deutschen Presse-Agentur vor der Ankunft Gaucks in Peking. „Schweigen ist Duldung.“
Der fünftägige Besuch in Peking, Shanghai und Xi’an gilt als eine der wichtigsten Auslandsreisen des Bundespräsidenten in seiner bisher vierjährigen Amtszeit. Gauck muss die schwierige Balance schaffen, einerseits die Beziehungen zu China nicht zu gefährden, andererseits aber auch seinen Überzeugungen und seiner Biografie als ehemaliger DDR-Bürgerrechtler und Anti-Kommunist treu zu bleiben. Er wird auch Künstler, Schriftsteller und Vertreter von Religionen und Nichtregierungsorganisationen (NGOs) treffen.
Auch der bekannte Anwalt Shang Baojun sagte, er hoffe, dass Gauck die Verfolgung in China ansprechen werde. „Es ist sehr wichtig für diejenigen, die im Gefängnis sitzen.“ Solche Politikerbesuche hätten in der Vergangenheit beispielsweise zur Freilassung des Anwalts Pu Zhiqiang sowie der Journalistin und Deutsche Welle-Mitarbeiterin Gao Yu beigetragen. „Es war eine Hilfe.“
Die Anwälte und Gao Yus Familie hoffen, dass sich Gauck für die Ausreise der kranken 71-Jährigen zur medizinischen Behandlung nach Deutschland einsetzen kann. „Es ist dringend“, sagte ihr Bruder Gao Wei. „Sie hat kein Einkommen und kann keinen Arzt sehen.“ Ihr sei ursprünglich eine Krankenversicherung versprochen worden, was aber nicht erfüllt worden sei. Gao Yu leidet an chronischen Herzproblemen und einer Erkrankung der Lymphknoten.
Die renommierte Journalistin war 2014 festgenommen und im April 2015 wegen angeblichen Verrats von Staatsgeheimnissen zu sieben Jahren Haft verurteilt worden. Nach deutschem und internationalem Druck wurde ihr im November Haftverschonung gewährt.
Die Menschenrechtsgruppen kritisieren verschärfte Verfolgung in China. „Leute einzusperren, kann nicht verhindern, dass sie ihre Meinung äußern“, sagte Patrick Poon von Amnesty International. „Wir hoffen, dass Bundespräsident Gauck den chinesischen Führern von seinen Erfahrungen als früherer Bürgerrechtler in der DDR berichten kann – und wie wichtig es für eine Regierung ist, abweichende Meinungen zu hören und freie Meinungsäußerung zu respektieren.“
In einer Verfolgungswelle sind seit vergangenen Sommer mehr als 300 Anwälte, Mitarbeiter von Kanzleien, Menschenrechtsaktivisten und Familienmitglieder verhört, festgenommen, unter Hausarrest gehalten, an der Ausreise gehindert worden oder verschwunden, wie die Hongkonger Interessengruppe für Menschenrechtsanwälte (CHRLCG) berichtete. Rund 30 würden noch festgehalten. Davon seien 19 formell in Haft, so dass ihnen Anklage drohe.
Chinas Kommunistische Partei habe der Zivilgesellschaft „den Krieg erklärt“, fand die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV). Sie kritisierte ferner mangelnde Religionsfreiheit von Christen, muslimischen Uiguren (Uyghuren) und tibetischen Buddhisten, was Gauck auch ansprechen solle. Der Bundespräsident wird von der neuen Menschenrechtsbeauftragten Bärbel Kofler (SPD) begleitet.