- Der Prozess gegen den prominentesten Bürgerrechtler Chinas, Pu Zhiqiang, beginnt.
- Peking klagt ihn wegen sieben Kommentaren bei einem Kurznachrichtendienst an.
- Nach Angaben seiner Anwälte drohen Pu bis zu acht Jahre Haft. Menschenrechtler im Ausland sprechen von “Willkürjustiz”.
Es ist leicht, den Überblick zu verlieren angesichts der Vielzahl an Gerichtsverfahren, mit denen Chinas Kommunistische Partei sich seit einiger Zeit ihrer Kritiker entledigt – aber an diesem Montag lohnt sich der Blick nach Peking. Dann steht der prominenteste von Chinas Bürgerrechtsanwälten vor Gericht: Pu Zhiqiang, ein Bär von einem Mann, der noch vor ein paar Jahren auch von manchem chinesischen Medium als Volksheld gefeiert wurde.
Und auch die Anklage ist bemerkenswert. Pu drohen nach Angaben seiner Anwälte bis zu acht Jahren Haft. Dabei sind die einzigen Beweismittel der Staatsanwalt sieben Kommentare Pus auf dem Mikrobloggingdienst Weibo, Chinas Gegenstück zu Twitter.
Unter all den Bürgerrechtsanwälten, die sich in China in den letzten ein, zwei Jahrzehnten gewisse Freiräume erstritten hatten, war Pu Zhiqiang vielleicht der streitlustigste. Dabei bewegte er sich stets innerhalb des Rahmens der chinesischen Gesetze.
Den Künstler Ai Weiwei verteidigte Pu ebenso wie einfache Bürger, die unschuldig im Umerziehungslager landeten oder deren Häuser von korrupten Funktionären beschlagnahmt worden waren, auch verfolgte Tibeter und Uiguren (Uyghuren) gehörten zu seinen Klienten. Die Abschaffung der Umerziehungslager war eines seiner großen Themen. Als die Regierung die Lager – ein Erbe Mao Zedongs – 2013 tatsächlich auflöste, da feierte er das auch als seinen persönlichen Sieg.
Seit 19 Monaten ist er bereits in Haft – ohne Verfahren
Eine gewisse Sturheit zeichnete ihn aus: “Ich beuge mich nicht leicht, was ich für richtig halte, das ziehe ich durch”, sagte er der Süddeutschen Zeitung in einem Interview vor seiner Verhaftung. “Wenn die Gesellschaft sich ändert, dann durch unsere Bemühungen.” Er scheute sich nie, auch die Öffentlichkeit in seine Arbeit mit einzubeziehen: Als Weibo 2009 gegründet wurde, da hatte er sein Medium gefunden: Scharfzüngig und nicht selten sarkastisch kommentierte er Alltag und Politik in China, hatte schnell Hunderttausende von Followern.
Wenn seine Konten dann in schöner Regelmäßigkeit von der Zensur gelöscht wurden, kommentierte er schon tags darauf unter neuem Namen. Mehr als 20 000 Weibo-Kommentare kamen so zusammen – genau sieben davon suchte sich die Staatsanwaltschaft nun heraus. Festgenommen wurde Pu Zhiqiang im Mai 2014 bei einer privaten Gedenkfeier für die Opfer des Massakers am Tiananmenplatz 1989. Pu selber war in jener Nacht auf den 4. Juni 1989 als Student auf dem Platz gewesen.
“Streitsucht und Unruhestiftung” ist der eine Anklagepunkt, die “Anstachelung ethnischen Hasses” der zweite. Chinesische Rechtsanwälte, aber auch Menschenrechtler im Ausland nennen die Anklage ein Beispiel für Chinas “Willkürjustiz”, so der Jurist und Chinaexperte Stanley Lubman, der im kalifornischen Berkeley lehrt. Human Rights Watch spricht von der “nackten Politisierung” der chinesischen Justiz: Peking missbrauche die Justiz, um Pu zum Schweigen zu bringen.
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Quelle: http://www.sueddeutsche.de/politik/china-acht-jahre-haft-fuer-sieben-kommentare-1.2780673